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Sex. Wie alle.


Sexualität. Behinderung.

Zwei Begriffe, mit denen Menschen die unterschiedlichsten Vorstellungen verbinden. Es ist noch nicht lange her, da wurden Menschen mit Behinderung als eine Art geschlechtslose Aliens wahrgenommen. Diese Zeiten scheinen zum Glück vorbei. Heute wird offen und fast schon obsessiv über das einst stark tabuisierte Thema geredet und geschrieben (siehe Links). Doch die Folgen der jahrzehntelangen Unterdrückung und Verleugnung der Sexualität behinderter Frauen und Männer sind weiterhin spürbar. So wird Sexualität im Zusammenhang mit Behinderung meist einseitig als etwas besonders Schwieriges und Problembehaftetes dargestellt. Entsprechend erscheinen Menschen mit Behinderung in sexueller Hinsicht generell als hilflos und beratungsbedürftig. 

Mit der Realität hat dies wenig zu tun. Menschen, die mit einer Behinderung leben, sind in sexueller Hinsicht so verschieden wie andere auch. Zwischen Himmel und Hölle ist alles möglich. Eine Behinderung kann das Ausleben von sexuellen Bedürfnissen erschweren oder auch verunmöglichen. Manchmal tut sie das auch. Oft aber auch nicht. Mit Mut, Fantasie, Entdeckungslust und genügend Wissen ist viel mehr möglich, als man denkt. Pauschale Aussagen sind selten zutreffend und oft schlicht unsinnig. 

Immerhin: Wer sich über das Thema informieren will, hat beim Material inzwischen die Qual der Wahl. Das Interesse ist allerdings ungleich verteilt. Meist ist die Aufmerksamkeit auf die Sexualität von Menschen mit einer sogenannt geistigen Behinderung gerichtet. Oder auf das Sexleben von Männern im Rollstuhl. («Sex mit Rollstuhl, geht das überhaupt?»)

Wie sich andere Einschränkungen auf das Sexualleben und auf Partnerschaften auswirken, ist wenig erforscht. Das ist schade.

Als Frauen, die selbst mit einer Beeinträchtigung leben, möchten wir wissen, wie es Mädchen und jungen Frauen in dieser Hinsicht heute geht. Unser Projekt «Ganz Frau» gibt erste Antworten. Wir haben Frauen getroffen, die sich von ihrer Normabweichung nicht mehr als nötig einschränken lassen, für ihre Wünsche etwas – manchmal auch sehr viel – riskieren. Frauen, die Höhen und Tiefen im Leben bewusst annehmen und bereit waren und weiterhin bereit sind, für dieses Projekt ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen.

Darüber freuen wir uns sehr. Wir hoffen, dass vor allem die künftigen Generationen sich von der Unbeirrtheit dieser Frauen, ihrer Gelassenheit und ihrem Vertrauen in sich selbst, in das Leben und in die Liebe anstecken lassen.

Eine wirksame Methode, um Menschen gesellschaftlich zu marginalisieren, ist es, sie dazu zu bringen,
sich selbst als nicht liebens-
und begehrenswert wahrzunehmen.

Lauree Erickson, Crip Porn Filmemacherin